Fokus Gesundheit
21.06.2017
Notfallstation – Behandlungsplanung in Akutsituationen
Interview mit Christian Ernst, Leiter Notfallstation und Klinikleitung Klinik für Innere Medizin

Christian Ernst, Dipl. Experte Notfallpflege, ist seit über 3 Jahren als Leiter der Notfallstation am Spital Zollikerberg tätig. Er referierte zum Thema Notfallstation am Mittwoch, 21.06.2017, gemeinsam mit Dr. med. Thierry Brunschwig, Facharzt für Innere Medizin und Leitender Arzt der Notfallstation am Spital Zollikerberg. Das Interview wurde ein paar Tage nach der Veranstaltung geführt.
Herr Ernst, was verstehen Sie unter einem medizinischen Notfall?
Christian Ernst: Diese Frage sowie wann man auf die Notfallstation gehen «darf» wird mir seit meinem ersten Arbeitstag auf der Notfallstation immer wieder gestellt. Ich persönlich finde die Definition der Deutschen Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin sehr passend: «Als medizinischer Notfall bzw. als Notfallpatienten werden alle Personen definiert, die körperliche oder psychische Veränderungen im Gesundheitszustand aufweisen, für welche der Patient selbst oder eine Drittperson unverzügliche medizinische und pflegerische Betreuung als notwendig erachten.»
Wie ist die Notfallstation des Spital Zollikerberg aufgebaut?
Die Notfallstation setzt sich räumlich aus drei Teilen zusammen: Notfallempfang, Behandlungsbereich und administrative Abteilung. Der Behandlungsbereich besteht aus insgesamt sechs Notfallkojen mit Tageslicht für jeweils eine Patientin oder einen Patienten, einem Fast-Track-Zimmer, einem Gipszimmer, einem Röntgenzimmer sowie einem Schockraum.
Das Team der Notfallstation besteht aus Pflegefachpersonen mit einem Nachdiplomstudium in Notfallpflege, Medizinischen Praxisassistentinnen und dem ärztlichen Dienst. Der ärztliche Dienst setzt sich aus Assistenzärztinnen und -ärzten der Chirurgie und der Medizin sowie dem Leitenden Arzt der Notfallstation, Dr. med. Thierry Brunschwig, zusammen. Durch die Bereitschaftsdienste der jeweiligen Fachabteilungen wie beispielsweise Radiologie oder Gynäkologie können wir auf dem Notfall eine ärztliche Betreuung rund um die Uhr gewährleisten.
Das Nachdiplomstudium in der Notfallpflege ist vergleichbar mit der Ausbildung der Intensiv- und Anästhesiepflege. In einem viersemestrigen Studium werden Kompetenzen aus den verschiedensten Bereichen vermittelt, sodass auch von Seiten der Pflege von Beginn an ein hohes Fachwissen zur Verfügung steht.
Können Sie einen typischen Ablauf bei einem Eintritt auf der Notfallstation beschreiben?
Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen drei Gruppen von Patientinnen und Patienten: Walk-In-Patienten, Zuweisungen durch Hausärzte und Sanitätszugänge.
Walk-In-Patienten sind diejenigen, welche selbstständig auf die Notfallstation kommen. In die zweite Gruppe fallen Patientinnen und Patienten, die uns durch einen externen ärztlichen Dienst wie beispielsweise einem Hausarzt zugewiesen wurden. Beide Patientengruppen melden sich zuerst am Notfallempfang und werden dort administrativ erfasst. Danach erfolgt eine Ersteinschätzung anhand eines international validierten Triage Systems, mit welchem die Dringlichkeiten festgelegt werden. Nicht jeder eintretende Notfallpatient ist nämlich per se mit einer hohen Dringlichkeit zu behandeln. Unser Ziel ist, die Patientenströme bereits von Beginn an möglichst optimal zu steuern und dem ärztlichen Dienst zuzuführen, damit dieser mit der Behandlung beginnen kann. Bereits am Notfallempfang, welcher durch speziell geschulte MPAs besetzt ist, besteht die Möglichkeit eines ersten Handelns wie beispielsweise die Verabreichung von Schmerzmitteln.
Die dritte Gruppe besteht aus Patientinnen und Patienten, welche notfallmässig mit dem Rettungsdienst direkt auf die Notfallstation gebracht werden. Hat ein Patient zuhause beispielsweise Atemnot oder Brustschmerzen, kann die aufgebotene Sanität bereits mit der Erstversorgung im Krankenwagen beginnen und uns die Patienten anhand standardisierter Rapporte übergeben. Damit die Behandlungskette möglichst reibungslos funktioniert, müssen Informationen, welche durch unsere Kollegen vom Rettungsdienst bereits erhoben wurden, vollständig an uns übergeben werden. Diese Übergabe erfolgt immer in Anwesenheit der Notfallpflege und dem ärztlichen Dienst.
Wie sieht es aus, wenn ich ein Telemedizin-Modell bei meiner Krankenkasse abgeschlossen habe? Muss ich dort zuerst anrufen, bevor ich auf den Notfall kommen darf?
Grundsätzlich sind wir rund um die Uhr für unsere Patientinnen und Patienten verfügbar und können von ihnen ohne spezielle «Erlaubnis» aufgesucht werden. Selbstverständlich empfiehlt es sich bei Leiden, welche bereits seit Wochen oder Monaten bestehen und sich nicht akut verschlechtern, zuerst die Hausärztin oder den Hausarzt aufzusuchen. Für die Behandlung eines medizinischen Notfalls muss nicht zuerst Rücksprache mit der Krankenversicherung gehalten werden – allerdings können die telemedizinischen Modelle mit ihren telefonischen Beratungsdiensten eine wertvolle Entscheidungshilfe sein, um abschätzen zu können, ob man zwingend sofort auf eine Notfallstation gehen muss oder ob alternative Versorgungsmöglichkeiten wie beispielsweise der hausärztliche Dienst in Frage kommen.
Welche Dokumente sollten Patienten falls möglich bei einem Eintritt mitbringen?
Wichtig ist, dass – falls vorhanden – Dokumente von vorbehandelnden Ärzten mitgebracht werden. Darunter verstehen wir Arztbriefe, Laborbefunde oder Untersuchungsergebnisse. Um die administrative Aufnahme zu beschleunigen hilft das Vorweisen der Versicherungskarte der Krankenkasse. Falls eine Patientenverfügung vorhanden ist, kann diese auch bereits auf der Notfallstation abgegeben werden.