Fokus Gesundheit
23. Oktober 2019
Divertikel im Dickdarm – wann operieren? Spektrum der Behandlungsmethoden.
Interview mit Dr. med. Cornelia Frei-Lanter, Fachärztin für Chirurgie, speziell Schwerpunkt Viszeralchirurgie

Dr. med. Cornelia Frei-Lanter, Fachärztin für Chirurgie, speziell Schwerpunkt Viszeralchirurgie, ist als Leitende Ärztin an der Klinik für Chirurgie am Spital Zollikerberg tätig. Sie referierte zum Thema « Divertikel im Dickdarm – Spektrum der Behandlungsmethoden» am Mittwoch, 23.10.2019, gemeinsam mit Dr. med. Stephan Müller, Senior Leitender Arzt Viszeralchirurgie, und Dr. med. René Spalinger, Leitender Arzt Klinik für Chirurgie. Das Interview wurde ein paar Tage nach der Veranstaltung geführt.
Frau Frei-Lanter, was sind Divertikel?
Divertikel sind gutartige Ausstülpungen der Darmwand nach aussen. Am häufigsten treten sie im linksseitigen Dickdarm kurz vor dem Übergang in den Enddarm auf. Dem sogenannten Sigma. Dieses Phänomen nennt man Divertikulose. Nicht zu verwechseln sind Divertikel mit Polypen. Polypen sind Schleimhautwucherungen der Darmwand nach innen, die auch einmal eine Krebsvorstufe bedeuten können. Divertikel hingegen sind nie eine Krebsvorstufe, sie entarten nicht.
Welche Probleme können Divertikel verursachen?
Divertikel sind in der westlichen Welt und mit zunehmendem Alter sehr häufig. Meist machen sie keine Probleme. Die Ausstülpungen können sich aber mit Stuhl füllen und dadurch entzünden. Dann spricht man von einer Divertikulitis. Die entzündete Darmwand bereitet Schmerzen. Selten entsteht durch die Entzündung zu einem Darmdurchbruch. Oder es kommt durch die Entzündung zu einem Einreissen eines Blutgefässes der Darmwand mit einer akuten Blutung. Manchmal heilt eine Entzündung mit Narben aus, so dass eine Engstelle im Darm entsteht, durch die der Stuhl Mühe hat, hindurch zu kommen. Die Entzündung kann selten in die Blase oder in die Scheide einbrechen. So dass eine Verbindung zwischen Darm und Blase bzw. Scheide entsteht – eine sogenannte Fistel.
Sind Divertikel immer mit Schmerzen verbunden?
Divertikel selbst machen keine Schmerzen. Eine Divertikel-Entzündung, also eine Divertikulitis ist hingegen i.d.R. mit Schmerzen verbunden. Dabei ist das Ausmass der Schmerzen abhängig von der genauen Lokalisation und vom Ausmass der Entzündung bzw. auch vom allfälligen Auftreten eines Darmdurchbruches. Ist eine Engstelle im Darm entstanden kann es auch zwischen Entzündungsschüben zu Schmerzen kommen, da der Stuhl Mühe hat, die Engstelle zu passieren.
Wann ist eine ärztliche Abklärung ratsam?
Divertikel selbst brauchen keine Abklärung und sind häufig ein Zufallsbefund anlässlich einer Darmspiegelung zur Dickdarmkrebsvorsorge. Nach dem 1. Entzündungsschub sollte unbedingt eine Dickdarmspiegelung stattfinden, wenn in den letzten 5 Jahren noch keine erfolgt ist. Dabei geht es um den Ausschluss eines Darmkrebses, der sich selten einmal wie eine Divertikelentzündung manifestieren kann. Eine Unterscheidung ist schlussendlich nur durch die Darmspiegelung nötig. Auch in der Computertomographie ist eine Unterscheidung nicht mit letzter Sicherheit möglich. Bei weiteren Entzündungen ist keine Darmspiegelung mehr nötig, denn Divertikel sind, wie erwähnt, keine Krebsvorstufe.
Welche Möglichkeiten gibt es, Divertikel zu behandeln? Ist eine Operation zwingend nötig oder gibt es Alternativen?
Eine akute Entzündung kann i.d.R. durch eine Antibiotikatherapie behandelt werden. Selten braucht es bei einem Darmdurchbruch mit schwerer Bauchfellentzündung eine notfallmässige Operation. Bei entstandenen Fisteln zur Blase oder Scheide ist eine Operation ebenfalls unumgänglich, da sich solche Fisteln nicht mehr verschliessen. Wiederholte Entzündungen können grundsätzlich auch wiederholt antibiotisch behandelt werden. Bei sehr kurz aufeinander folgenden Schüben, komplizierten Schüben oder Schmerzen trotz abgeheilter Entzündung bei entstandener narbiger Engstelle muss je nach Leidensdruck des Patienten eine Operation in Betracht gezogen werden.
Was wird bei einer solchen Operation gemacht?
Das befallen Darmstück wird entfernt und der Dickdarm wieder zusammen genäht. Diese Operation ist in der Regel minimalinvasiv, laparoskopisch in sogenannter Schlüssellochtechnik möglich. Bei einer insgesamt selten notwendigen notfallmässigen Operation ist aufgrund der starken Bauchhöhlenverschmutzung meist ein offene Operation mit Schnitt in der Mittellinie und meist auch ein vorübergehender künstlicher Darmausgang nötig.
Gibt es Einschränkungen bzgl. der Ernährung nach einer solchen Operation?
Nein. Sowohl vor, wie nach der Operation ist keine spezielle Diät notwendig. Im Internet kursieren diverse, sich teils auch wiedersprechende, teils sehr skurrile Ernährungsempfehlungen zur Verhinderung von Divertikel bzw. Divertikulitisschüben. Diese sind jedoch alle nicht wissenschaftlich bestätigt. Selbstverständlich empfiehlt es sich, Nahrungsmittel weg zu lassen, wenn man merkt, dass man etwas nicht gut verträgt. Die Ernährung sollte man aber aufgrund von Divertikel oder Divertikelschüben nicht umstellen. Auch auf Körner oder Samen muss nicht verzichtet werden. Es stimmt nicht, dass sich diese in den Divertikeln verfangen und dadurch Entzündungsschübe provoziert werden.