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Was passiert mit dem Herzen, wenn wir lieben?

KD Dr. med. Simon Andreas Müggler

KD Dr. med. Simon Andreas Müggler

14. Februar 2023

lesezeit

8 min

In unserer Kultur ist das Herz das Symbol der Liebe und der Sitz der Seele. Aber ist es auch aus medizinischer Sicht mehr, als ein Muskel, der Blut pumpt? Dr. med. Simon Andreas Müggler, Leitender Arzt Kardiologie und Innere Medizin, klärt am heutigen Valentinstag auf.

Herr Dr. med. Simon Andreas Müggler, kulturhistorisch betrachtet war das Herz schon immer mehr als nur ein Muskel, der Blut pumpt. Sehen Sie das als Facharzt für Kardiologie auch so?

Absolut einverstanden. Natürlich kann man das Herz nüchtern als reine «Pumpe» betrachten, welche als spezialisiertes muskuläres Organ den Blutkreislauf und somit die Versorgung der Organe mit Sauerstoff aufrechterhält. Die Tatsache, dass viele Menschen dem Herzen aber mehr Beachtung als anderen Organen schenken, begründet auf mehreren Gegebenheiten: Ein auch nur wenige Sekunden dauernder Ausfall der Herzfunktion führt rasch zu einer Bewusstlosigkeit und bereits nach wenigen Minuten treten irreparable Schäden beispielsweise am Gehirn auf, falls die Herzfunktion nicht unmittelbar wieder einsetzt oder durch eine Herzmassage («Reanimation») oder technische Massnahmen («Herz-Lungen-Maschine») ersetzt wird. Somit wird das Herz wie kein anderes Organ als Symbol des Lebens verstanden. Seit tausenden von Jahren betrachten Menschen das Herz auch als Sitz der «Seele» und als Symbol der Liebe, das Herz ist stark mit Emotionen verbunden, Formulierungen wie «eine herzlose Person», «es bricht mir das Herz», «herzliche Grüsse» oder «sich etwas zu Herzen nehmen» zeugen in unserer Sprache auch heute noch davon.

Zwischen Herz und Hirn, zwischen unseren Gefühlen und unseren Gefässen besteht eine enge Verbindung. Inwiefern stimmt die Annahme, dass Liebe, Partnerschaft und befriedigende soziale Beziehungen auch im medizinischen Sinn gut für das Herz sind?

Diese Annahme ist absolut richtig. Es gibt vielfältige Gründe dafür und mehrere Studien, welche positive Effekte von Liebe, einer intakten Partnerschaft und positiver sozialer Beziehungen aufzeigen konnten. Liebe senkt den Stresspegel und führt zur Ausschüttung von Glückshormonen, was Menschen eher von selbstschädigenden Verhaltensweisen wie beispielsweise Rauchen, übermässigem Alkoholkonsum, ungesunder Ernährung oder mangelnder Bewegung abhält. Menschen in einer intakten Partnerschaft weisen zudem tiefere Blutdruckwerte auf, was sich positiv auf die langfristige Gesundheit des Herzens auswirkt. Eine grosse US-amerikanische Studie konnte eine längere Lebensdauer verheirateter Personen im Vergleich zu verwitweten, geschiedenen oder unverheirateten Personen aufzeigen. Bekannt ist zudem, dass Menschen, welche in einer Partnerschaft leben, in welcher sie nur wenig Unterstützung durch den Partner erfahren, ein höheres Risiko aufweisen, eine Arteriosklerose zu entwickeln. Die Arteriosklerose (Arterienverkalkung) kann dann zum Herzinfarkt führen. Liebe im Sinne von sexueller Aktivität ist ebenfalls gut für das Herz: Sowohl Frauen als auch Männer mit regelmässiger sexueller Aktivität weisen ein tieferes Risiko für einen Herzinfarkt auf. Sex kann als Form des Ausdauertrainings verstanden werden mit für das Herz positiven Effekten auf die Kondition, den Blutdruck und den Stresslevel.

Das Herz ist bekanntlich mit rund 40.000 Nervenzellen bestückt. Wie ist das bei Liebeskummer: Ist der Herzmuskel direkt betroffen, wenn «das Herz bricht»?

In den meisten Fällen übersteht das Herz den Liebeskummer unbeschadet. Das «gebrochene Herz» gibt es aber wirklich: Seit gut 30 Jahren ist bekannt, dass akute, aussergewöhnliche emotionale Belastungen, so auch Liebeskummer, zu einer Funktionsstörung des Herzmuskels und zur Herzschwäche führen können. Dieses Krankheitsbild (Takotsubo-Syndrom, Stresskardiomyopathie) wird auch «Broken-Heart-Syndrom» genannt, das Syndrom des gebrochenen Herzens. Der genaue Mechanismus dieser Erkrankung ist noch immer Gegenstand der Forschung, ein Zusammenhang mit körpereigenen Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin spielt vermutlich eine entscheidende Rolle. Das «Broken-Heart-Syndrom» kann sich gleich wie ein Herzinfarkt mit Brustschmerzen oder Atemnot präsentieren, so dass umgehend weitere Abklärungen und eine Behandlung erfolgen müssen. Zum Glück ist die Prognose des «Broken-Heart-Syndroms» aber grundsätzlich gut, die meisten Patienten erholen sich innerhalb einiger Wochen vollständig davon. Übrigens sind Frauen deutlich häufiger als Männer vom «Broken-Heart-Syndrom» betroffen.

Interessanterweise können nicht nur negative Emotionen stressbedingte Herzbeschwerden auslösen. Man liest, dass es angeblich auch ein «Happy-Heart-Syndrom» gibt. Ist das so und was hat es damit auf sich?

Auch starke positive Emotionen, beispielsweise eine Hochzeit, die Geburt eines Enkels oder eine überraschende Geburtstagsfeier, können eine Stresskardiomyopathie auslösen, wahrscheinlich nach dem gleichen Mechanismus wie das «Broken-Heart-Syndrom» (Takotsubo-Syndrom). Offenbar können sowohl traurige wie auch glückliche Lebensereignisse trotz des unterschiedlichen Charakters ähnliche emotionale Auswirkungen haben, welche zum «Broken-Heart-Syndrom» (im Falle negativer emotionaler Ausnahmesituationen) oder eben zum «Happy-Heart-Syndrom» (im Falle positiver emotionaler Ausnahmesituationen) führen können. Wie und ob man dem Takotsubo-Syndrom vorbeugen kann, ist derzeit noch unbekannt. Das Risiko, nach erstmaligem Auftreten ein zweites Mal daran zu erkranken, ist aber erhöht. Trotzdem sollen betroffene Personen versuchen, das Leben zu geniessen und nicht ständig Angst davor zu haben, ein weiteres Mal daran zu erkranken. Denn dies würde zu chronischem Stress führen, welcher wiederum schlecht für das Herz wäre.

Portraitfoto von Dr. med. Simon Andreas Müggler

KD Dr. med. Simon Andreas Müggler

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