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Ratgeber

Herzinfarkt: Überlebenswichtige Erste Hilfe

Dr. med. univ. (S) Linn Ryberg

Dr. med. univ. (S) Linn Ryberg

10. Oktober 2023

lesezeit

10 min

Erfahren Sie von Dr. med. univ. (S) Linn Ryberg, Oberärztin Kardiologie, wie Sie bei einem Verdacht auf einen Herzinfarkt Leben retten können. Diese wichtigen Erste-Hilfe-Tipps helfen Ihnen im Ernstfall.

Frau Dr. med. univ. (S) Linn Ryberg, wie lange dauert es in der Regel von den ersten Symptomen bis zu einem Herzinfarkt?

Nur selten tritt ein Herzinfarkt wie ein Blitz und ohne Vorankündigung auf. Oft sind Warnzeichen Stunden, Tage oder bereits Wochen und Monate vorher vorhanden. Typisch hierfür sind Druck oder Schmerzen auf der Brust, vor allem während einer körperlichen oder auch emotionalen Belastung. Angina Pectoris (lateinisch für Brustenge bzw. Beklemmung auf der Brust) wird durch einen vorübergehenden Sauerstoffmangel im Herzmuskel verursacht, insbesondere in Situationen vermehrter Beanspruchung. Hält der Sauerstoffmangel im Herzen an, sterben Herzmuskelzellen ab; es kommt zum Herzinfarkt. Während die Schmerzepisoden bei der Angina Pectoris kürzer andauern, dauern sie beim Herzinfarkt meist länger als 15 Minuten.

Wieso führt der Herzinfarkt zu einem Herzstillstand?

Bei einem Herzinfarkt ist der Blutfluss zum Herz gestört. Durch den resultierenden Sauerstoffmangel in den Zellen im Herzen werden diese geschädigt und sterben ab. Dadurch kann die elektrische Aktivität im Herzen gestört werden und es steigt das Risiko für die Entwicklung von Rhythmusstörungen. Manche dieser Rhythmusstörungen sind lebensgefährlich. Bei sehr schnellen Rhythmusstörungen, wie zum Beispiel dem Kammerflimmern, kann sich das Herz nicht mehr zusammenziehen und entspannen; es steht still. Wird kein Blut mehr zum Gehirn bzw. in den Körper gepumpt, führt dies unweigerlich zum Bewusstseinsverlust bzw. zum Tod, sofern dieser Zustand nicht rasch behoben werden kann.

Welche richtigen und wichtigen Erste-Hilfe-Massnahmen müssen Mitmenschen bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sofort ergreifen?

Als erstes sollten Sie den Notruf 144 alarmieren, damit die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes möglichst kurz ist. Dabei sollten Sie am Telefon bleiben, bis die Sanität ankommt. Wenn sich die Diagnose eines Herzinfarktes bestätigt, zählt jede Minute. Der Betroffene sollte möglichst bequem gelagert werden, wenn möglich den Oberkörper etwas erhöht, was das Herz entlastet. Es ist wichtig, den Betroffenen nicht allein zu lassen, auch wegen des bestehenden Risikos eines Herzstillstandes.

Im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes sollten Sie laut um Hilfe rufen, damit die Aufgaben möglichst auf mehrere Helfer:innen aufgeteilt werden können. Falls noch nicht bereits erfolgt, sollten Sie spätestens jetzt 144 alarmieren und mit der Herzdruckmassage bzw. der Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen. Wenn Sie unsicher sind, wie Sie die Herzdruckmassage durchführen sollen, werden Sie von der Rettungsleitstelle über das Telefon entsprechend angeleitet. Die Brustkompressionen werden in der Mitte des Brustkorbs an der unteren Hälfte des Brustbeins gemacht. Man sollte fünf bis sechs Zentimeter tief eindrücken mit einer Frequenz von ca. 100 pro Minute. Für Personen, die über Erfahrung in Erster Hilfe verfügen, empfiehlt man zusätzlich zu den Brustkompressionen auch eine Beatmung im Verhältnis von 30 Kompressionen zu zwei Mal Beatmen. Während jemand die Brustkompressionen durchführt, sollte eine andere Person einen Defibrillator herbeiholen.

Jemand findet in der Nähe einen Defibrillator – dürfen Laien ihn bedienen?

Es gibt sogenannte automatische Defibrillatoren (AED), die extra dafür gemacht sind, dass sie von Laien bedient werden können. Nach Anbringen der Klebeelektroden am Brustkorb des Patienten (entsprechende Zeichnungen auf den Elektroden bzw. dem Gerät) leitet der AED die/den Ersthelfer:in mittels Sprachkommandos durch die Reanimation. Im Spital haben wir auch nicht-automatische Defibrillatoren, die nur von medizinischem Personal bedient werden sollten. AEDs finden sich zum Beispiel bei der Feuerwehr und der Polizei, in Schulen, Universitäten, Einkaufszentren, Unternehmen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Auch in Freizeitbetrieben, zum Beispiel Badeanstalten, Kinos und Museen können AEDs vorhanden sein. Auf der Website defikarte.ch kann man nachsehen, wo es Defibrillatoren gibt. Eine frühzeitige Defibrillation kann Leben retten. Wenn keine Defibrillation erforderlich ist, wird das Gerät auch keinen Schock auslösen. Man kann also mit der Verwendung eines AED nur helfen und keinesfalls weiteren Schaden anrichten.

Und was gilt es in so einer Notsituation absolut nicht zu tun?

Niemals jemanden mit Verdacht auf Herzinfarkt allein lassen. Es besteht bei einem Herzinfarkt, wie gesagt, jederzeit das Risiko für einen Herz-Kreislauf-Stillstand und somit die Notwendigkeit einer raschen Wiederbelebung. Eine Herzdruckmassage kann in einer solchen Situation lebensrettend sein, auch wenn sie von Laien durchgeführt wird. In diesem Fall reichen der Nachweis einer Bewusstlosigkeit und das vermeintliche Fehlen einer ausreichenden Atmung aus, um den Beginn einer Herzdruckmassage zu rechtfertigen. Bei einem Herzstillstand keine Herzkompressionen zu machen, verringert deutlich die Überlebenschance der Betroffenen, auch wenn der Rettungsdienst schnell an Ort und Stelle ist. Mit jeder vergangenen Minute verringert sich die Wahrscheinlichkeit des Überlebens um zehn Prozent. Lediglich ca. fünf Prozent der Betroffenen überleben einen Herzstillstand ausserhalb des Spitals. Darum zählt jede Sekunde.

Wenn ein Herzstillstand während des Autofahrens eintritt, kann dies für den Betroffenen, aber auch für Dritte potenziell tödlich enden. Aus diesem Grund sollte man bei Verdacht auf einen Herzinfarkt nicht selbst Auto fahren. Um den Sauerstoffbedarf des Körpers möglichst gering zu halten, sollten jegliche Anstrengungen unterlassen und stattdessen eine möglichst bequeme Lage eingenommen werden.

Gibt es bestimmte Medikamente, die im Falle eines Herzinfarkts der betroffenen Person umgehend helfen können?

Das Wichtigste beim Herzinfarkt ist die Wiedereröffnung des betroffenen, unvollständig oder vollständig verschlossenen Gefässes am Herzen. Hierfür ist die möglichst zeitnahe Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung mit der Möglichkeit einer Erweiterung des Gefässes mittels Ballon bzw. Stent erforderlich. Die Dringlichkeit dieser Untersuchung richtet sich nach den Beschwerden des Betroffenen, der Herzstromkurve (EKG) und bestimmten Blutwerten und variiert zwischen so früh wie möglich und innerhalb der nächsten Tage. Blutverdünnende Mittel wie Aspirin und Heparin sollen helfen, ein durch ein Gerinnsel verschlossenes Gefäss am Herzen wieder durchgängig zu machen. Diese werden in Kombination mit einem starken Schmerzmittel wie Morphin vom Rettungsdienst über die Vene verabreicht.

Manchmal, das kennen wir alle, sticht das Herz. Liege ich richtig in der Annahme, dass dies völlig normal ist und es keinen Grund zur Sorge gibt?

Ein gelegentlicher kurzer Stich über dem Brustkorb sollte tatsächlich kein Grund zur Aufregung sein. Wenn die Beschwerden jedoch über Minuten andauern, immer wieder und reproduzierbar bei gewissen Aktivitäten (körperliche oder emotionale Belastung) auftreten, sollte eine kardiologische Standortbestimmung veranlasst werden. Insbesondere bei Personen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Zuckerkrankheit (Diabetes), Rauchen, Übergewicht und möglicherweise bekannt hohen Blutfettwerten sollte die Schwelle zur kardiologischen Abklärung niedrig gesetzt werden.

Silhouette einer anonymen weiblichen Person mit mittellangem Haar vor unscharfem Hintergrund.

Dr. med. univ. (S) Linn Ryberg

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