Praktische Tipps für den sicheren Start als Eltern: Ein Einblick in unsere Elternfahrschule
27. Mai 2025
8 min
Die ersten Wochen nach der Geburt sind für viele Eltern eine aufregende, aber auch herausfordernde Zeit. Mit unserer Elternfahrschule – einem wöchentlichen, kostenlosen Angebot der Klinik für Neonatologie und der Frauenklinik – möchten wir in dieser wichtigen Phase wertvolle Unterstützung leisten. Um Ihnen einen exklusiven Einblick in die Inhalte und Vorteile der Elternfahrschule zu geben, haben wir mit Dr. med. Lena Pfender, unserer erfahrenen Kinderärztin im Team der Elternfahrschule, gesprochen.
Wie hilft die Elternfahrschule frischgebackenen Eltern, sich gut auf den neuen Lebensabschnitt einzustellen?
In der Elternfahrschule holen wir die Eltern einerseits direkt bei ihren Fragen und Sorgen ab, andererseits geben wir ihnen wichtige Informationen über den Entwicklungsstand und die nächsten Entwicklungsschritte ihres Babys mit. Es werden die Themen angesprochen, die die meisten Eltern in den ersten Wochen beschäftigen und oft auch verunsichern sowie individuelle Fragen, die häufig viel mit den eigenen Erfahrungen der Eltern zusammenhängen.
In der Elternfahrschule bieten Sie Eltern wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse ihrer Neugeborenen. Welche Themen werden besonders angesprochen?
Die Hauptthemen sind das «Lesen» der Signale, die das Baby sendet, das Trink- und Schlafverhalten sowie Themen um Unruhezustände und Schreien. Anhand der Begegnungen mit den Neugeborenen, die meist dabei sind, wird gezeigt, wie diese Interaktionen mit dem wachen und zufriedenen Kind ablaufen, welche Möglichkeiten die frisch geborenen Babys haben, ihre Bedürfnisse zu äussern und wie wir als Erwachsene versuchen können die Babys zu verstehen und sie zum Beispiel zu unterstützen, zur Ruhe zu finden. Dabei geht es auch ganz praktisch um Körperpositionen, die die meisten Babys mögen.
Welche Herausforderungen oder Unsicherheiten erleben viele Eltern in den ersten Wochen mit ihrem Neugeborenen, und wie hilft die Elternfahrschule, diese zu überwinden?
Besonders wenn das Neugeborene das erste Kind der Eltern ist, beginnt für die Familie eine ganz neue Lebensphase. Obwohl die meisten Eltern eine gute Intuition haben, was ihr Kind brauchen könnte, gehört eine Portion Unsicherheit ebenfalls dazu. Da die Versorgung des kleinen Babys und die «Nachwehen» der Schwangerschaft und Geburt die Eltern seelisch und körperlich stark fordern und das Kind sich auf mehreren Ebenen adaptieren muss, sind alle Beteiligten in dieser ersten Zeit vulnerabel für innere und äussere Stressoren. Das «sich in möglichst entspannter Atmosphäre kennenlernen können» und aufeinander einstellen hat eine wichtige Bedeutung für die kommenden Monate und sogar Jahre. Hier kann die Elternfahrschule helfen. Im Wissen um die kindlichen Bedürfnisse hilft sie, das Miteinander zu fördern und trägt dadurch auch zum Wohlbefinden der Eltern bei. Wie können sich Eltern einerseits auf ihr Kind einstellen und es feinfühlig versorgen, ohne dabei andererseits ihre eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren? Denn je besser es den Eltern geht und je mehr sie sich den Anforderungen gewachsen fühlen, desto mehr können sie das Zusammensein mit dem Kind und die Magie der ersten Tage sowie Wochen geniessen und in die Elternrolle hineinwachsen.
Es gibt so viele Informationsquellen da draussen – von Online-Artikeln bis zu allgemeinen Ratgebervideos. Was macht die Elternfahrschule am Spital Zollikerberg besonders wertvoll für Eltern?
Zum einen schätzen alle – Teilnehmer:innen wie auch wir Kinderärzt:innen – den persönlichen Kontakt sowie die Möglichkeit, die Babys gemeinsam zu beobachten, ihre Signale unmittelbar zu verstehen und mit ihnen in Interaktion zu treten. Des Weiteren werden all die Informationen, die den Eltern im Kopf herumschwirren eingeordnet. Es geht auch darum, sich auf die Begegnungen mit dem Kind einzulassen, die «Erwachsenensichtweise» verlassen zu können und die Welt aus der Perspektive des Babys zu betrachten. So sind dessen Bedürfnisse gut spürbar und es kann eine gemeinsame Verständigung entstehen.
Anstelle dogmatischer Informationen geht es mehr darum zu verstehen, wie Baby und Elternsein «funktioniert» und welche Entwicklungsschritte das Baby demnächst machen wird. Denn diese Erkenntnisse beeinflussen automatisch die Erwartungen und die Haltung der Eltern. Schlussendlich soll dies den Eltern aber nur als Anregung in den Rucksack mitgegeben werden, den Weg mit ihrem Kind begehen sie dann selbst und auf ihre eigene Art. Oft kommt es zwischen den Eltern zu einem interessanten Austausch. Manchmal kommen den Eltern über das Entwickeln der Haltung dem Kind gegenüber auch übergeordneten Themen ins Bewusstsein – zum Beispiel:
- Was ist uns wichtig im Leben?
- Was hat uns geprägt?
- Wie haben wir uns eingerichtet und wo gibt es vielleicht noch «Baustellen», die wichtig sind zu bearbeiten, damit wir genug Freiraum fürs Elternsein haben?
In der Elternfahrschule können solche wichtigen «Prozesse» in den Dialogen angestossen werden, was natürlich viel individueller und persönlicher ist als das Lesen von Artikeln oder das Anschauen eines Ratgebervideos.
Eltern fragen sich, wie sie die Entwicklung ihres Kindes am besten fördern können. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend für eine gesunde Entwicklung im ersten Jahr?
Beziehung und Sicherheit. Eine Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen, die tragfähig ist, die Halt gibt und ihm Verständnis, Orientierung und Liebe zukommen lässt, sind wichtige, tragende Pfeiler für das Kind – ein Leben lang, aber besonders am Anfang, wenn das Kind völlig schutzlos ist und auf einfühlsame Begleitung angewiesen ist. Natürlich sind auch die wichtigsten Informationen über einen gesunden Lebensstil und gewisse Entwicklungsschritte von Kindern wichtig, zum Beispiel in Bezug auf Schlaf-, Ess- und Spielverhalten sowie günstige Einflussfaktoren wie vielfältige Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten, Erfahrungen in der Natur oder ungünstige Faktoren wie (zu) früher Medienkonsum.
Aber wenn man nur einen Faktor nennen dürfte, wäre es sicher das Vorhandensein einer in gesicherten Verhältnissen lebenden, verlässlichen, vertrauten, möglichst entspannten und zugewandten Bezugsperson – oder noch besser mehrerer solcher Bezugspersonen beziehungsweise eines sozialen Netzes, das die Eltern in ihrer neuen Rolle unterstützt und entlastet. Die Kinder brauchen in jedem Fall – und anfangs eigentlich ständig – ein präsentes Gegenüber, das sich auf die Begegnung mit ihnen einlässt, sie so nimmt, wie sie sind, ihnen Halt und Orientierung gibt und sie durch die Höhen und Tiefen des Alltags begleitet.
Wie können Eltern also mit diesen Herausforderungen umgehen und gleichzeitig ihr eigenes Wohlbefinden im Blick behalten?
Es hilfreich, wenn Eltern sich in ihrer neuen Rolle wohlfühlen. Das ist manchmal gar nicht so leicht – besonders wenn das Windeln wechseln und Umziehen sich anfühlt wie der erste Tag in der Lehre, an dem man sich noch mit nichts auskennt und nicht brillieren kann, wenn das Trösten des schreienden Babys nicht sofort gelingt und der eigene Stresspegel kontinuierlich steigt oder einem der Schlaf geraubt wird. Hier ist es essenziell, dass die Eltern diese Herausforderungen annehmen – und das wollen sie unserer Erfahrung nach unbedingt – und in ihre Rolle hineinwachsen. Sie lernen, wie sie sich gut aufteilen, wann sie sich auch mal zurücknehmen und das Kind machen lassen sollten, wann sie Rat oder Hilfe holen – denn manchmal braucht man das –, wie sie sich erholen können und was sie mit den Gefühlen der Hilflosigkeit tun, die in der neuen Rolle manchmal aufkommen.
Das klingt alles nach viel Anstrengung und Arbeit, aber das Schöne ist, dass wir Menschen zum Elternsein gemacht sind. Es steckt in uns und im besten Fall geht alles fast von selbst und sehr intuitiv. Man muss gewissermassen nur die Rahmenbedingungen – manchmal etwas mühsam – erarbeiten. Und natürlich müssen Eltern nicht perfekt sein. Niemand kann immer entspannt, präsent, selbstbewusst und zuversichtlich sein und das braucht es auch gar nicht immer, aber es ist wichtig «da» zu sein, sich einzulassen und sich mit dem Kind beziehungsweise in der Rolle als Eltern weiterzuentwickeln. Eltern zu werden bietet auch wunderbare Möglichkeiten, sich selbst besser kennenzulernen. Durch die Erfahrungen mit dem Kind erleben wir Erwachsenen die Welt oft noch einmal ganz anders und lernen viel dazu. In gewisser Weise «lehrt» das Kind, auch das Neugeborene, uns vieles.
Wie können Eltern sich für die Elternfahrschule anmelden?
Alle Eltern auf der Wochenbettstation mit Neugeborenem erhalten Informationen zur Elternfahrschule inklusive Anmeldekarte. Sie können während ihres Aufenthaltes oder bis zu vier Wochen nach ihrem Aufenthalt auf der Wochenbettstation an der Elternfahrschule teilnehmen.
Die Elternfahrschule wird aktuell von Dr. med. Peter Reinhard, Dr. med. Till Gerber und Dr. med. Lena Pfender durchgeführt.
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