«Babyblues» aus Sicht einer Dipl. Pflegefachfrau
Meenu Thattil
2. März 2023
6 min
In den ersten Tagen nach der Geburt kann bei frischgebackenen Müttern ein Gefühlschaos herrschen. Meenu Thattil, Dipl. Pflegefachfrau und Fachexpertin Pflege, gibt Einblicke.
Was versteht man unter «Babyblues» und wie häufig kommt dieser Zustand vor?
Die Geburt eines Kindes ist ein freudiger, aber auch ein schwieriger und anstrengender Prozess. Eine Frau durchläuft während der Schwangerschaft und nach der Geburt viele hormonelle, körperliche, emotionale und psychologische Veränderungen. In der familiären und zwischenmenschlichen Welt der Mutter kommt es zu enormen Veränderungen: Zusammen mit der grossen hormonellen Umstellung erleben viele Mütter nach der Geburt eine Zeit der Niedergeschlagenheit oder Traurigkeit. Dieser im Wochenbett normale Zustand wird als «Babyblues» bezeichnet. Jüngste Erkenntnisse zeigen, dass etwa 50 bis 70 Prozent aller Mütter den «Babyblues» erleben.
Wie macht sich «Babyblues» bei den Müttern auf der Station bemerkbar?
Die Mütter können die unterschiedlichsten Gefühle durchleben, die von Freude und Vergnügen bis hin zu Kummer, Überforderung, Verzweiflung und Weinkrämpfen reichen. In dieser Zeit fühlen sich die Mütter meist erschöpft und müde.
Wie geht ihr auf der Wochenbettstation vor, wenn eine Mutter den «Babyblues» hat?
Wir nehmen das Wechselbad der Gefühle ernst und bieten Gespräche an. Durch positive und unterstützende Kommunikation können die Mütter offen über ihre Gefühle und Ängste reden. Es ist wichtig, die Emotionen zuzulassen, statt sie in sich aufzustauen. Wir ermutigen die Mütter auch zum Weinen, denn in der Regel fühlen sie sich danach besser.
Ausserdem ist es notwendig, dass die Mütter in dieser Phase viel Zeit mit ihrem Baby verbringen, um die Mutter-Kind-Bindung zu stärken. Hierfür empfehlen wir das «Bonding» mit dem Kind. Andererseits ist es aber auch wichtig, dass die Mütter mal zur Ruhe kommen und sich erholen können, um wieder Energie zu tanken. Deshalb beziehen wir den oder die Partner:in aktiv in die Betreuung des Kindes ein.
Als komplementäre Pflegemethode bieten wir auch Aromatherapie an, da wir wissen, dass bestimmte Düfte wie Bergamotte oder Rose entspannend oder angstlösend wirken können.
Seit Mai 2022 arbeiten wir auch eng mit spezialisierten Psychologinnen zusammen, die die Mütter in akuten Situationen begleiten und so das Pflegeteam unterstützen.
Wie kann der oder die Partner:in unterstützen?
In der ersten Zeit nach der Geburt benötigen die Mütter vor allem Verständnis, Nachsicht und viel tatkräftige und moralische Unterstützung durch den oder die Partner:in.
Welche Tipps gibst du Müttern für die Zeit danach? Welche Hilfsangebote gibt es?
Geben Sie sich Zeit, um sich auf Ihre neue Rolle als Elternteil einzustellen. Setzen Sie sich realistische Erwartungen und Ziele, sonst geraten Sie unnötig unter Druck. Nehmen Sie sich Zeit für sich, achten Sie auf ihre Bedürfnisse und holen Sie Unterstützung von ihrer Familie oder ihren Freunden. Zögern Sie auch nicht, rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Organisieren Sie im Voraus eine ambulante Hebamme oder Pflegefachfrau, die Sie Zuhause begleiten und unterstützen kann. Auch die Psychologinnen des Zentrums für psychische Gesundheit stehen Ihnen nach Ihrem Austritt weiterhin zur Verfügung.
0/0
Weitere Beiträge
Ratgeber
Grüner Star – das unterschätzte Risiko für Ihr Sehvermögen
Das Glaukom, auch bekannt als Grüner Star, zählt weltweit zu den häufigsten Ursachen für irreversiblen Sehverlust. Trotz seiner Verbreitung bleibt diese Augenkrankheit bei vielen Betroffenen lange unbemerkt, da sie sich schleichend und ohne frühe Symptome entwickelt. Gerade deshalb ist eine frühzeitige Diagnose und Behandlung entscheidend, um das Sehvermögen zu erhalten und eine Erblindung zu verhindern. In diesem Beitrag erklären wir, was genau ein Glaukom ist, welche Risikofaktoren es gibt, wie die Diagnose abläuft und welche modernen Therapieformen zur Verfügung stehen. Ausserdem geben wir wertvolle Tipps, wie Sie selbst zur Vorbeugung beitragen können.
Ratgeber
Mehr als nur Rückenschmerzen – moderne Wirbelsäulenmedizin am Spital Zollikerberg
Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden – doch nicht jede Diagnose macht eine Operation notwendig. Dr. Beat Wälchli, Chefarzt und Leiter der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie am Spital Zollikerberg, spricht im Interview über den interdisziplinären Behandlungsansatz, die Bedeutung einer sorgfältigen Indikationsstellung und darüber, warum Teamarbeit und der Blick auf den ganzen Menschen im Zentrum stehen.
Ratgeber
Gefährliche Winzlinge: Dr. med. Thomas Stangl klärt auf – so schützen Sie sich vor Zecken und ihren Krankheiten
Zecken sind in der Schweiz vor allem in den warmen Monaten weit verbreitet – und sie können ernsthafte Krankheiten übertragen, die oft unterschätzt werden. Doch wie erkennt man einen Zeckenstich richtig? Wann ist ärztliche Hilfe notwendig? Und welche Schutzmassnahmen sind wirklich wirksam? Wir haben mit Dr. med. Thomas Stangl gesprochen, unserem erfahrenen Hausarzt des Gesundheitszentrums Hottingen. Er gibt wertvolle Einblicke und praktische Tipps rund um das Thema Zecken. Lesen Sie jetzt das Interview und erfahren Sie, wie Sie sich und Ihre Familie bestmöglich schützen können.