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Ratgeber

Interview zum Informationsanlass «Der Beckenboden im Wandel des Lebens»

15. Juli 2024

lesezeit

6 min

Zu unserem vergangenen öffentlichen Publikumsanlass zum Thema «Der Beckenboden im Wandel des Lebens» haben unsere vortragenden Ärzte und Therapeutinnen die wichtigsten Informationen ihres Referats zusammengefasst und weitere Tipps und Tricks im Umgang mit Beckenbodenbeschwerden in unserem neusten Interview verraten.

Wie viel Muskelmasse verlieren Frauen in der Menopause und was sind Auswirkungen davon?

Frauen verlieren bis zu 30 Prozent ihrer Muskelmasse zwischen 50 und 70 Jahren. Die Menopause hat aber auch weitere Auswirkungen auf den ganzen Körper der Frau. Beispielsweise kommt es zu einem allgemeinen Kraftverlust, wodurch sich das Sturzrisiko erhöht und der Körper mehr leisten muss, um diese einsetzende Schwäche zu kompensieren. Auch der Beckenboden und seine Muskeln sind von der Schwächung betroffen. Das führt zu einer verminderten Stabilisation und einem schlechteren muskulären Verschluss der Harnröhre. Auch die Organe im kleinen Becken erfahren dadurch eine geringere Stabilisierung und neigen eher dazu, abzusinken.

Was sind die Hauptbeschwerden und damit einhergehende Alltagsprobleme, wegen denen Patientinnen und Patienten zu Ihnen in die Sprechstunde kommen?

Inkontinenz bei Husten, Lachen oder Niesen, aber auch beim Sport, sind häufige Alltagsprobleme, wegen denen wir kontaktiert werden. Dies führt oftmals dazu, dass die Betroffenen weniger Sport machen und auch Alltagsaktivitäten vermeiden. Eine weitere Form der Inkontinenz, wegen derer wir kontaktiert werden, ist die Dranginkontinenz sowie verschiedene Senkungsbeschwerden, zum Beispiel der Blase, der Urethra, der Gebärmutter oder des Rektums. Damit einher gehen verschiedene Symptome wie Restharnbildung, vaginaler Druck, erschwerter Stuhlgang, Schmerzen oder ein Fremdkörpergefühl.

Wir sind für Sie da

Unsere Urogynäkologie

Gerade die Harninkontinenz, die bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte besonders häufig auftritt, bedeutet für die Betroffenen oft eine Einschränkung der Lebensqualität. Soziale und partnerschaftliche Kontakte sind durch die Funktionsstörung erschwert, körperliche Aktivitäten werden zum Problem. Wir klären sorgfältig ab, woher die Beschwerden kommen und leiten eine entsprechende Therapie ein. Unsere Fachspezialisten in der Urogynäkologie haben grosse Erfahrung in allen diagnostischen und therapeutischen Methoden zur Behebung von Harninkontinenz.

Wie viele Frauen sind von diesen Problemen jeweils betroffen und in welchem Alter?

Dazu gibt es keine eindeutige Antwort, da es eine hohe Dunkelziffer gibt. Dieses Thema ist nach wie vor stark schambelastet und besonders ältere Patientinnen und Patienten denken, dass sie mit diesen Beschwerden einfach leben müssen. 

Welche Therapiemöglichkeiten werden für Beckenbodenbeschwerden im Spital Zollikerberg angeboten?

Im Therapie-Zentrum bieten wir eine individuelle Physiotherapie an. Im Idealfall führen wir einen vaginalen Befund durch, um die Muskelaktivität genau zu beurteilen und auch die Therapie dementsprechend darauf abzustimmen. Wenn eine schlechte Wahrnehmung das Hauptproblem ist, geht es in erster Linie darum, den eigenen Beckenboden wahrzunehmen. Dafür stehen uns verschiedene Biofeedback-Möglichkeiten zur Verfügung. Beim Biofeedback können wir die Aktivitäten des Beckenbodens auf einem Display sichtbar machen, sodass die Patientin oder der Patient eine direkte Rückmeldung über die Aktivität des Beckenbodens bei den Übungen erhält. Falls die Patientinnen oder Patienten den Beckenboden nicht bewusst steuern können, gibt es ausserdem die Möglichkeit, den Muskel mittels elektrischer Impulse zur Anspannung  zu bringen. Dafür arbeiten wir mit einer vaginal oder anal eingeführten Sonde. Das Gefühl der Anspannung ist zwar etwas ungewohnt, aber absolut schmerzfrei. Das Ziel ist es, zu spüren, welcher Muskel überhaupt angesprochen ist und wie sich eine Anspannung in diesem Bereich anfühlt. Neu können wir auch einen funktionellen Ultraschall am Beckenboden anbieten, durch den die Muskelaktivität nochmals ganz anders dargestellt werden kann. Ausserdem bieten wir nach der Geburt bei Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden die Pessar-Therapie an. Zuletzt kann auch komplementäre Medizin hilfreich sein, beispielsweise durch lokale Wickel und Auflagen. 

Ohne chirurgischen Eingriff

Unsere Beckenbodentherapie im Therapie-Zentrum

Der Beckenboden spielt eine wichtige Rolle bei verschiedenen Funktionen wie Kontinenz, Haltung und Stabilität. Unsere erfahrenen Physiotherapeutinnen stehen Ihnen zur Seite, um Sie individuell zu betreuen und zu unterstützen.

Welche operativen Möglichkeiten gibt es, um Beckenbodenbeschwerden entgegenzuwirken, wenn die Therapie nicht ausreicht?

Eine vollständige Stabilisierung des Beckenbodens kann minimalinvasiv mit Netzeinlagen erfolgen. Hierbei wird die Therapie massgeschneidert auf die individuell veränderte Anatomie und den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten abgestimmt, zum Beispiel bei Blasensenkung, Gebärmutterabsenkung, Absenkung des Enddarms, oder auch, wenn alle drei gleichzeitig vorhanden sind. Auch Männer können von einer Absenkung des Enddarms betroffen sein, weshalb auch ihnen mit massgeschneiderten Therapien geholfen werden kann.

Haben Sie Tipps und Tricks, die Sie einer Person mit Beckenbodenbeschwerden mitgeben können?

Drehen Sie beim Niesen oder Husten den Kopf nach oben und den Oberkörper zur Seite, so reduzieren Sie die den Druck auf den Beckenboden. Es ist möglich, dass der Beckenboden auch zu viel Spannung aufweist; dabei kann es helfen, sich bewusst zu Entspannen und dabei bewusst in den Bauch zu atmen. Man kann dabei erkennen, dass der Beckenboden sich durch die bewusste Atmung hebt und senkt. Frischgebackenen Müttern empfehlen wir zudem, bereits nach dem Wochenbett mit einem konsequenten und gezielten Rückbildungstraining zu beginnen. Im Idealfall mit speziellen Pessaren. Allen Personen raten wir, ihre von Therapeuten empfohlenen Beckenbodenübungen in den Alltag zu integrieren. Der Vorteil ist, dass keine schweren Gewichte gestemmt werden müssenund man überall unauffällig etwas für seinen Beckenboden tun kann.

Beschwerden des Beckenbodens sind ausserdem nicht immer auf einen zu schwachen Beckenboden zurückzuführen. Zu viel Spannung kann ebenfalls ein  Grund sein. Lassen Sie deswegen von einer ausgebildeten Fachperson kontrollieren, welche Variante bei Ihnen der Fall ist. Wenden Sie sich jederzeit an einen Urogynäkologen oder eine Urogynäkologin, wenn Sie das Gefühl haben, Ihre Lebensqualität sei eingeschränkt. Auch wenn ihre Beschwerden im Vergleich zu anderen nicht so ausgeprägt sind; wichtig ist Ihr Leidensdruck. Wenn die Beschwerden sie stören, ist das ein Grund, sich zu melden. Wir schauen uns gerne gemeinsam mit Ihnen die Möglichkeiten zur Unterstützung an.   

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