«Heldin» – Ein Film, der bewegt und die Pflege in den Fokus rückt. Das Team der Chirurgie gibt Auskunft
Julia Khatri
10. April 2025
10 min
Der Film «Heldin» sorgt derzeit für viel Gesprächsstoff in den Medien. Er zeigt eindrucksvoll die Herausforderungen und Belastungen im Pflegeberuf – emotional und nah an der Realität vieler Pflegekräfte. Doch wie authentisch ist die Darstellung wirklich? Wir werfen einen genaueren Blick darauf.
Wie realistisch stellt der Film «Heldin» den Alltag einer Pflegekraft dar? Gibt es Szenen, die besonders authentisch wirken?
Nun ja: Die Patientensituationen und die Angehörigen mit ihren Diagnosen und Ansprüchen wirken durchaus realistisch. Auch die jeweilige professionelle Handlung wird teilweise authentisch dargestellt. Wir alle haben schon mal ein Lied zur Beruhigung angestimmt oder Angehörige charmant zum Wohle der Patientenruhe aus dem Zimmer gebeten.
Leider zielt der Film jedoch sehr auf die Belastung der Pflegeheldin ab, die irgendwie versucht, die Schicht nach bestem Können zu meistern. Ich kann nur für unser Team sprechen, dass es solche Schichten zwar mal gibt, diese jedoch Einzelfälle bleiben – wir achten auf eine gesunde Personaldichte, um solche Situationen zu vermeiden. Ebenfalls ist sich die Klinikleitung der Klinik für Chirurgie durchaus bewusst, dass wir sehr darauf achten müssen, die Pflegenden im Beruf zu halten – sonst haben wir später selbst niemanden mehr, der uns pflegen wird.
Welche Herausforderungen, die im Film gezeigt werden, erlebst du selbst in deinem Berufsalltag? Gibt es Aspekte, die deiner Meinung nach übertrieben oder zu dramatisch dargestellt wurden?
Sicherlich hat die eine oder andere von uns schon mal daran gedacht, eine «15.000 CHF-Uhr» – wie im Film gezeigt – aus dem Fenster zu werfen, wenn auch nicht getan. Es gibt durchaus anspruchsvolle Situationen. Hier setzen wir sehr auf unsere Teamresilienz. Diese wurde im Film auch realistisch dargestellt, als die beiden Kolleginnen herzhaft über die erlebte Situation gelacht haben. Im realen Arbeitsalltag hätte man allerdings das Verhalten des Patienten reflektiert und wäre mehr auf den Zynismus des Patienten mit einer malignen Erkrankung eingestiegen und hätte seine Kommunikation entsprechend interpretiert.
Auch wirkt es auf uns unprofessionell, dass die Patientin, die später nach einer Reanimation verstorben ist, erst als letzte auf der Runde dran war. Im realen Alltag wäre sie eine der ersten Patientinnen gewesen. Hier wurden nach unserer Interpretation die Prioritäten nicht richtig gesetzt.
Spiegelt der Film die emotionale und körperliche Belastung im Pflegeberuf realistisch wider? Welche wichtigen Themen fehlen deiner Meinung nach?
Für uns ist die Balance zwischen der Darstellung der schönen Pflegemomente gegenüber den Belastungen durch Zeitdruck, systembedingte Umgebungsfaktoren und Anforderungen der Patienten und Angehörigen nicht im gesunden Gleichgewicht dargestellt. Die Protagonistin wird hier eher als «Opfer» des Systems dargestellt, anstatt als «Heldin», die den Rhythmus zumindest mitsteuern kann. Leider wissen wir aber von vielen Kolleginnen in anderen Spitälern, dass diese Darstellung für sie realistischer erscheint als für unserer Station. Natürlich ist man bei uns auch mal getrieben, gerade, wenn die Station ausgelastet ist oder wenn man anspruchsvolle Patientensituationen auf der Schicht hat. Aber diese Extremfälle, wie sie im Film dargestellt wurden, sind bei uns wirklich die Ausnahme.
Daher finden wir es schade, dass im Film die schönen Seiten des Berufes nicht stärker hervorgehoben werden. Die Pflege erfährt sehr viel Wertschätzung von den Patientinnen und Patienten und den Angehörigen und in einem gesunden Spital auch vom gesamten Spitalsystem. Es ist ein wunderbarer Beruf, Menschen in Notlagen zu helfen; Menschen durch Ausnahmesituationen zu begleiten und Unterstützung zu leisten. Doch vermutlich wird dieser Film nicht wirklich helfen, mehr Menschen für diese wunderbare Profession zu begeistern.
Wie gut wird das Verhältnis zwischen Pflegekräften, Patient:innen und Ärzt:innen dargestellt? Entspricht es deiner Erfahrung?
Mir gefällt die Szene, in der sich nach der Reanimation die Ärztin schützend vor die Pflegefachfrau stellt. Das war sehr vorbildlich. Wir haben im Team auch über die Szene diskutiert, als die Ärztin sich der Patientenkommunikation entzieht und diese auf den nächsten Tag verschiebt. Hier waren wir uns einig, dass wir uns hier ebenfalls für den Patienten eingesetzt hätten, sodass die Patientenkommunikation doch noch durchführt worden wäre. Was im Film schön dargestellt wird, ist das kollegiale Verhalten der Pflegenden untereinander. Dies ist enorm wichtig – gerade, wenn man so eine belastende Schicht erlebt. Das muss Hand in Hand laufen: im Film hat der Nachtdienst die Runde vom Spätdienst beendet. Ein gutes harmonisches Team, in dem man sich gegenseitig bestärkt, austauscht und professionell reflektiert und es zugleich auch miteinander lustig hat – das ist enorm wichtig.
Ist für dich «Heldin» ein Film, der Aussenstehenden ein realistisches Bild Spitalalltag vermittelt? Oder würdest du etwas ergänzen oder korrigieren?
Vielleicht führt der Film ja tatsächlich dazu, dass einige Patientinnen und Patienten ihre Erwartungshaltung überdenken. Die Pflegende ist meistens die erste Person, die mit den Missmut von Patientinnen und Patienten konfrontiert wird und beginnt dann fast reflexartig, sich zu entschuldigen – dies war im Film übrigens treffend dargestellt. Wir entschuldigen uns viel zu häufig für Dinge, die falsch gelaufen sind, obwohl uns direkt keine Schuld trifft, weil wir diejenigen sind, die am unmittelbarsten den Patienten gegenüberstehen.
Würdest du den Film «Heldin» weiterempfehlen?
Grundsätzlich ja – aber bitte nicht für hoch motivierte Berufsanwärterinnen und -anwärter! Nicht, dass sie vom Beruf abgeschreckt werden, sie es sich womöglich anders überlegen und sich gegen einen der schönsten Berufe der Welt entscheiden.
Zweifellos bietet der Film für Laien eine gute Diskussionsgrundlage über unseren Beruf. Dies kann auch dazu dienen, um vom klassischen Bild der «fürsorglichen Schwester» wegzukommen und unsere Berufsprofession, unsere professionellen Kompetenzen und unseren Handlungsspielraum im Genesungsprozess der Patientinnen und Patienten kennenzulernen.
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