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Backstage

Die unsichtbare Heldin: Apothekerin im Spitalalltag

6. Januar 2025

lesezeit

5 min

Tina Tabel, Teamleiterin Pharma-Assistenz im Spital Zollikerberg, bietet vertiefte Einblicke hinter die Kulissen der Spitalapotheke, in der aktuell rund 1500 Arzneimittel gelagert sind. Wie diese gelagert werden, wie die Bestellprozesse und damit einhergehende Herausforderungen aussehen, schildert Tina im Interview, genauso wie ihre persönliche Motivation für diesen spannenden Beruf.  

Wieso haben Sie sich für den Beruf Pharma-Assistenz entschieden und wie sah Ihr Bildungsweg aus? 

Schon seit meiner Kindheit habe ich mich sehr für Medizin interessiert und wollte in einem Spital arbeiten. Durch Schnupperlehren im Spital in meiner Heimatstadt musste ich jedoch erkennen, dass der Pflegeberuf nicht zu mir passt. Im Alter von 20 Jahren bin ich dann in die Schweiz ausgewandert und stiess auf den Ausbildungsberuf der Pharma-Assistentin. Dies war für mich die perfekte Mischung aus Medizin, Naturwissenschaften und meinem Interesse an der Arbeit mit Computern. Die 3-jährige Ausbildung habe ich dann 2010 erfolgreich abgeschlossen.

In den darauffolgenden sieben Jahren konnte ich viel Erfahrungen in zwei anderen öffentlichen Apotheken sammeln und habe dann aktiv nach einer Stelle im Spital gesucht. Glücklicherweise war es bei mir und dem Spital Zollikerberg Liebe auf den ersten Blick. Hier habe ich gefühlt eine weitere Ausbildung durchlaufen, da hier vieles anders gehandhabt wird. Beispielsweise habe ich die Zubereitung von Zytostatika hier erlernt. In den nun sieben Jahren, in denen ich hier arbeite, konnte ich so einiges dazulernen und werde ständig aufs Neue gefordert.

Worauf sollte man gefasst sein, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet?

In dem Beruf der Pharma-Assistentin muss man durchaus vielseitig sein. Es braucht eine gewisse Grundstruktur in der Arbeitsweise und vor allem Genauigkeit. Im Spital benötigt man dann nochmals zusätzlich Eigenschaften, wie beispielsweise Effizienz oder eine grosse Flexibilität. Zudem muss man sehr aufmerksam sein, damit all die verschiedenen Bereiche und Tätigkeiten einen stabilen Strang ergeben. Ausserdem muss man sich unglaublich viele verschiedene Sachen, wie Medikamentennamen oder Anfragen merken können. Man sollte auch darauf gefasst sein, dass man manchmal körperlich anstrengende Arbeiten bewältigen muss.

Mitarbeiterin ordnet Medikamente in einer Apotheke, Regale im Hintergrund voll mit verschiedenen Arzneimitteln.

Worauf achten Sie bei der korrekten Lagerung von Medikamenten und anderen Wirkstoffen? 

Es gibt 3 verschiedene Temperaturbereiche für Medikamente in unserem Spital: Im Tiefkühler sind es -25 bis bis -15°C, im Kühlschrank 2 bis 8°C und bei Raumtemperatur sind es 15 bis 25°C.
Die meisten Medikamente können gut bei Raumtemperatur gelagert werden, sodass der Raum für eine fehlerhafte Handhabung gering ist. Bei Medikamenten im Kühlschrank, wie beispielsweise Impfungen und Insulin, passieren regelmässig Fehler und diese verursachen für uns einen enormen Aufwand, da wir dann abklären müssen, ob das Medikament weiterverwendet werden darf. Und dafür benötigen wir wiederum detaillierte Auswertungen der Temperaturüberwachung und korrespondieren mit Pharma-Firmen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag in der Spitalapotheke für dich aus?

Wir starten 8 Uhr mit unserem Tag und treffen uns alle im Büro. Jeder Tag ist anders und birgt die ein oder andere Überraschung. Wir teilen die Grundtätigkeiten von Tag zu Tag zwischen uns auf. Meine Hauptaufgabe als Teamleitung ist daher die Koordination der anstehenden Arbeiten, die Priorisierung der Aufgaben und die Struktur des Tages. Zudem unterstütze ich die leitende Apothekerin in Teamangelegenheiten.

Als erstes gehen wir dann je nach Einteilung auf die Stationen nehmen die nachbestellten Artikel in unserem Kanban-System auf. Danach richten wir anhand einer Kommissionierliste die Kiste für die jeweilige Station. Alles, was raus geht, muss auch wieder reinkommen. Daher packen wir im Anschluss die Kisten mit Lieferungen der Pharmafirmen aus und verbuchen diese im System. Zwischendurch beantworten wir zahlreiche telefonische Anfragen und gehen schon auf die ersten Touren, um die verschiedenen Stationen zu beliefern.

Als nächstes richten wir die Desinfektionen und Infusionen für das Spital, danach bestelle ich über das SAP die Medikamente bei den entsprechenden Firmen. Dies ist nicht immer ganz einfach, da man den Bedarf einschätzen, die Bestellbedingungen einhalten und Lieferengpässe koordinieren muss.

Nach der Mittagspause warten noch immer zahlreiche Kisten darauf, auf die Stationen gebracht zu werden und wir haben zusätzlich viele administrative Aufgaben, wie beispielsweise Rechnungsfreigaben, Pflege des Kanban Systems oder die Stammdatenpflege.

Unser intensiver, vielseitiger und umfangreicher Arbeitstag, an dem das Telefon durchschnittlich 100-Mal klingelt, endet um 17 Uhr (grinst).

Wie ist Ihr Team aufgestellt?

Unser Team besteht aus 3 Spitalapothekerinnen und 6 Pharma-Assistentinnen, von denen fast alle im Teilzeitmodell arbeiten. Wir alle haben unsere Stärken in verschiedenen Bereichen und bringen unterschiedliche Erfahrungen mit, die es ermöglichen selbst die grösste Herausforderung effizient und kompetent zu lösen. Auf meine Kolleginnen ist stets Verlass und was uns ebenso auszeichnet, ist das gegenseitige Einfühlungsvermögen, die Menschlichkeit und dass wir viel miteinander lachen können.

Gesundheitspersonal organisiert Medikamente in einem Lagerraum.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten?

Mir gefällt die Vielseitigkeit meiner Aufgaben und dass ich im Gegensatz zur Arbeit in einer öffentlichen Apotheke mein Fachwissen konkret anwenden und erweitern kann. Ich mag das Arbeitsumfeld und ich finde es super interessant, mit all den verschiedenen Bereichen in Kontakt zu treten.

Im Februar 2020 hatte ich einen sehr schweren Unfall, der mein Leben in vielerlei Hinsicht für immer veränderte. Meine Hauptmotivation, aus dem Spitalbett wieder auf beide Beine zu kommen, war der Gedanke an meine Arbeit hier, die Kollegschaft im Zollikerberg und mein Team. Jeden Morgen, wenn ich durch das Spital laufe, um die Kärtchen der Nachbestellungen zu scannen, bin ich froh, dass ich mich durchgekämpft habe und dazu in der Lage bin, meiner Arbeit weiterhin nachgehen zu können.

Welche Herausforderungen birgt Ihre Arbeit?

Da hinter einer Aufgabe oder einer Anfrage immer ein Menschenleben steckt, ist es unerlässlich, dass ich schnell reagieren kann und dennoch zu jeder Zeit den Überblick behalte. Das ist manchmal ziemlich anstrengend und erfordert viel Konzentration.

Können Sie uns einige Kennzahlen zu der Spitalapotheke nennen?

Wir haben derzeit rund 1500 Arzneimittel an Lager und wöchentlich gehen etwa 1300 auf die Abteilungen. In der Woche buchen wir davon ungefähr 90 Medikamente zurück in unseren Bestand, weil sie nicht mehr benötigt werden, zu viel bestellt oder falsch bestellt wurde. Wir bekommen täglich zwischen 10 bis 30 verschiedene Medikamente von unseren Lieferanten, die verbucht und eingelagert werden müssen. Jeder Tag und jede Woche verlaufen anders, aber wir geben durchschnittlich mehr als 5000 Medikamente im Monat raus. Direktbestellungen werden täglich ausgelöst und wir versuchen, einen Bedarf von drei Monaten abzudecken. Allerdings ist dies aufgrund des begrenzten Lagerplatzes oder der teuren Arzneimittel nicht immer möglich.

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